- Der Mittlere Weg in der altindischen, christlichen und islamischen Philosophie.
- Der Mittlere Weg im Alltag.
- Gebote für einen gelassenen Lebensmanager.
- Der Mittlere Weg im modernen Unternehmen.
- Ausgewählte Lebensweisheiten zum Thema.
- Das Orakel.
Immer wieder treffen uns so mitten im Alltag Nachrichten über schwere Erkrankungen oder sogar das Versterben naher Weggefährten oder Freunde, oder auch Verwandte uns nahestehender Personen. Der Tod ist alltäglich. Auch wir selbst spüren, so nach 65 Lebensjahren, eine Veränderung in unserem Körper. Wir brauchen mehr Zeit, die Joggingstrecken werden anstrengender, auch die Gartenarbeit. Wir setzen uns einfach mehr gerne hin. Ganz anders ist es mit unseren Gedanken. Die sind so aktiv wie nie zuvor. Aber man hält sich an bestimmten Themen länger auf. Gedanken, über die man früher schnell hinwegkam, bleiben oder kommen immer wieder, so wie das update-reminder im Smartphone. Mit dem Älterwerden werden unerledigte Themen immer wichtiger und drängen auf Erledigung.
Mit dem Älterwerden kommen auch die Themen hoch, an denen wir uns eventuell in der Vergangenheit vertan haben. Die kleinen Sünden. Das große andere Wehtun. Für mich wichtig ist die Erkenntnis, dass nichts aus dem Bewusstsein gelöscht werden kann. Das Naturgesetz von Actio = Reactio gilt. Nicht nur in der unbelebten physikalischen Natur, auch in den persönlichen menschlichen Prozessen. Was immer wir gedacht, geredet und getan haben, ob gut oder weniger gut: Es ist wie Samen in unserer Natur, es trägt früher oder später Früchte. Und dann sind auf unserem Apfelbaum schöne Äpfel, verwurmte Äpfel, oder gar keine Äpfel. Die großen Heiligen aus allen Zeiten sprachen immer wieder davon, dass eben nichts ungesühnt bleibt. Und wir können schlecht Getanes nicht einfach so mit Spenden, Beichten, Gutdenken, Heiligsein, mehr meditieren abtun. Die Mystiker aus der Schule von Meister Eckhart lehren uns, dass das größte Gottesgeschenk das Leiden ist. Nur Leiden erleiden kann uns reinigen und uns zur Heiligkeit emporführen (hier hat die moderne Medizin wahrscheinlich eine andere Meinung dazu). Somit ist das Leiden eine sehr wichtige Realität und Notwendigkeit in unserem Leben. Ohne Leiden keine Entwicklung.
Aber nur in Leidensdimensionen zu denken würde unser Leben tagtäglich traurig und pessimistisch stimmen. Wie Leiden auf unserem Lebensweg als Grundaufgabe verhindern oder überwinden?
Gottseidank lesen wir von Thomas von Aquin in seinen Betrachtungen über das menschliche Leben letztes Ziel: Glückseligkeit! Und auch Buddha nennt acht Wege zur Überwindung des Leides hin zum Glück.
Der Mittlere Weg in der altindischen, christlichen und islamischen Philosophie
Als vor ca. 2500 Jahren ein nordindischer Fürstensohn aus seiner wohlbehüteten Palastumgebung in die nahe Umgebung ausfuhr, sah er zum ersten Mal alte Menschen, kranke Menschen und Tote auf den Friedhöfen, den Geiern überlassen. Für ihn war nach den traditionellen Sitten ein glückliches Leben ein Leben in Luxus. Unglücke, Hungersnöte, Katastrophen wurden von dem Palast und besonders auch von ihm ferngehalten. In der langen Tradition der damaligen vedischen Heilslehre, den Upanishaden, wurden die Götter durch Opfergaben glücklich gestimmt. Denn nur glückliche Götter verbreiten Glück unter den Menschen. Der Fürstensohn war mit diesen Traditionen nicht mehr einverstanden. Brach aus, wanderte viele Jahre, wurde Asket, übte die Meditation bis zur Verzweiflung, stand nahe am Tod und gewann die Erkenntnis, dass extreme Lebenswege, sei es Glückfindung durch Luxus und Tradition, oder Weisheitsfindung durch extreme Hingabe nicht den Erfolg bringen, die innere Unzufriedenheit und Unruhe, aufzulösen in einen immerwährenden Glückszustand. Es ist der Mittlere Weg, der gegangen werden muss. Der Asket reduzierte dadurch seine Selbstquälerei, aß wieder, pflegte seinen Körper und führte seine Reise nach innen fort. Er traf auf seiner Wanderung auf dem Mittleren Weg, auf seinem Pfad der Erkenntnis, andere Asketen, von denen er lernte, die er aber dann in seinen langen Nachtmeditationen übertraf, bis hin zum Moment der tiefen Erkenntnis unter einem Baum. Danach war er erleuchtet. Er sah die Zusammenhänge von Glück und Unglück, Leben und Tod, Tat und Folgen der Tat, Leid und Überwindung des Leides. Er hat sich dadurch verändert. Seine Reden waren klar und heilsam. Menschen sammelten sich um ihn. Er wurde der Buddha, der Erleuchtete.
Wir haben es Alexander dem Großen zu verdanken, dass aufgrund seiner schnellen Eroberungszüge von Mazedonien aus bis nach Hinterindien der erste Handels- und Kulturaustausch zwischen der so unbekannten Welt von Hinterindien und des Fernen Ostens nach dem alten damaligen Westen stattfand. Die abendländischen Philosophien haben sich daraufhin mit indischen Philosophien ausgetauscht. Auf dem Weg der Seidenstraße jedoch, gelang durch regelmäßigere Begegnungen ein fruchtbarer Austausch zwischen dem Morgenland und dem Abendland. Die christlichen Mönchsorden in Ägypten und Syrien erfuhren von dem „Mittleren Weg“. Sufis wie Muhammad Iqbal sprachen früh über die Wichtigkeit, eine Balance zu finden und zu bewahren zwischen der Intuition und dem Intellekt. In den wunderschönen meditativen Tänzen der Derwische, praktizieren die Tänzer, die im Alltag in einem normalen Berufsleben stehen, die mystische Energietransformation vom Himmel zur Erde. Die Tänzer starten von einem Mittelpunkt, öffnen sich spiralförmig und schließen mit absolutem Stillstand ab. Auch eine Form des Mittleren Weges, der Weg zwischen Himmel und Erde.
Der Mittlere Weg im Alltag.
Der Mittlere Weg im Alltag ist gehbar. Wir können ohne Nachteile runter von der Überholspur. Erfolg ist nicht mehr eine Sache der Karriere und des Einkommens, sondern Erfolg ist Sache meiner persönlichen Zufriedenheit, glücklicher und gesünder zu leben mit Freunden oder mit der Familie, oder allein. Im Alltag Ruhe finden gelingt uns durch die tägliche regelmäßige morgendliche und abendliche Meditation. 30 Minuten hinsetzen, auf den Atem konzentrieren, vom Gestalter zum Beobachter werden. Erkennen, dass Vieles viel unwichtiger ist als wir geglaubt haben. Dass wir viel weniger zum Leben benötigen, mit weniger auskommen, schneller zufriedener sind. Ein einfacheres Leben ein erfüllteres Leben sein kann.
Gebote für den gelassenen Lebensmanager
Wenn uns bewusst wird, dass uns das Leben aus unserer Mitte herausgerissen hat, wenn wir die Körper-Seele-Geist Einheit einseitig überstrapaziert haben, sei es durch zu viel Konzentration auf den Körper durch übermäßige körperliche Arbeit, aber auch durch Sport im Übermaß, sei es durch zu viel Konzentration auf die kognitiven Prozesse (8 Stunden Büroarbeit, 8 Stunden an der Kasse, 10 Stunden vor dem PC, 3 Stunden täglich Smartphone..), wenn wir merken, dass sich unsere Seele zurückgezogen hat, ja wir unsere Seele eingequetscht haben zwischen der übertriebenen Körperdimension und gestressten Geistdimension, wenn Gott vor unserer Seelen-Herzenstür anklopft mit einem lauten Faustschlag und wir selbst diesen gewaltigen Befreiungston nicht mehr wahrnehmen, dann wird es Zeit. Zeit wieder die Balance zu finden. Zeit zu sehen. Zeit zu hören. Zeit das Werkzeug fallen zu lassen.
Berufsalltag: Einseitige Tätigkeit, etwas tun, was wir nicht verstanden haben, wofür wir überfordert sind, was keinen Sinn macht: auch das erzeugt Stress. Und Stress führt immer zur Krankheit. Es gibt wunderschöne Anleitungen und Übungen, ein gelassener Lebensmanager zu werden, um dem Alltag im Privaten wie im Berufsleben mit mehr Achtsamkeit aber auch Wissen und Methode zu meistern. Wir müssen lernen, optimistisch und hoffnungsfroh zu sein, auf unsere Lebensbalance zu achten, uns selbst zu motivieren, uns regelmäßig zu reinigen (Fasten), mit der restlichen Lebenszeit sorgsam umgehen, respektvoll zu uns aber auch zu den Anderen sein.
Der Mittlere Weg im modernen Unternehmen
Der Klimawandel geht uns alle an. Uns als Verbraucher und Marktteilnehmer. Uns als Arbeiter, Angestellter, Führungskraft, oder Eigentümer in der Welt der Unternehmen. Die klassischen betriebswirtschaftlichen Modelle einer leistungsorientierten Unternehmensführung mit der Vorstellung eines unbegrenzten Marktes mit unbegrenztem Wachstum haben ihre Schuldigkeit getan. Die Welt ist dadurch wahrhaftig aus den Fugen geraten. Wir brauchen nicht nur schnellstens neue Methoden der umweltschonenden Energieerzeugung, sondern neue umweltschonende Produktionsmethoden und Produkte. Es geht schon lange nicht mehr nur um Umweltschutz, sondern um Umweltregenerierung. Schulen und Universitäten sollen angeregt werden, eine neue umweltschonende und umweltregenerierende Betriebswirtschaft zu lehren. Wir stehen hier vor einer sehr großen Herausforderung, es geht ja ums Grundsätzliche, um die neue und nachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Zukunft. Manager sind zukünftig keine Manager, wenn sie nicht in Demut und Einfachheit handeln und mit Respekt vor der Natur und vor der bedrohten Menschheit täglich auch neue regenerierende Strategien und Geschäftspläne entwickeln. Wenn ein Manager lernt regelmäßig zu fasten und zu meditieren, wird er automatisch achtsamer, respektvoller, einfacher und demütiger, zu sich, zu seinen Mitarbeiten, zu seinen Kunden. Vielleicht kann dann dieser Manager durch mehr Intuition und Achtsamkeit ein neues Unternehmensbewusstsein schaffen und Leuchtturm sein und andere Unternehmen mitziehen.
Ausgewählte Lebensweisheiten zum Thema
Nach dem Großen Geist mit dem Denkenden Geist zu suchen ist gewiss ein schweres Missverständnis (Seng Tsan)
Warten können. Es beweist ein großes Herz mit Reichtum an Geduld, wenn man nie in eiliger Hitze, nie leidenschaftlich ist. Erst sei man Herr über sich, so wird man es nachher über andere (Baltasar Gracian)
Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler aller Art (Dalai Lama)
Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden (Hermann Hesse)
Es liegt im Stille sein eine wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung, der Sammlung auf das Wesentliche (Dietrich Bonhoeffer)
Dinge zu Ende denken, bevor du neue Gedanken in deinem Kopf zulässt (Otto Bauer)
Orakel
Tjün Yüan war in Verbannung seit drei Jahren und durfte nicht mehr seinen Herrscher sehen. Er hatte seine Weisheit, seine Treue angeboten, doch der Verleumder hatte ihn besiegt. Betrübt im Herzen, unruhig im Sinne, nicht wusste er, wohin sich wenden noch. So ging er zu dem großen Zukunftskünder und sprach: „Ich bin im Zweifeln und bitte Euch, für mich zu entscheiden.“ Der Magier ordnete die Stäbe und nahm hervor des Schildpatts heiliges Gerät und sprach: „Sagt an, o Herr, was Euch beschwert!“ Tjün Yüan sprach: „Soll ich lieber fest entschlossen, wahr und treu sein? Oder unaufhörlich mich anpassen? Soll ich lieber mit der Hacke Unkraut jäten? Oder soll ich mit den Großen selbst berühmt sein? Soll ich lieber durch die Wahrheit in Gefahr sein? Oder soll ich Reichen schmeichelnd mich ernähren? Soll ich lieber hocherhobenen Hauptes für die Wahrheit streiten? Oder soll ich schwatzend, plappernd, schmeichelnd, lächelnd Weibern dienen? Soll ich lieber unbestechlich und gerade meine Reinheit wahren? Oder glatt, geschmeidig, weich und schwächlich Speichel lecken? Soll ich stolz und mutig wie ein edles Ross mich zeigen? Oder wie die Ente auf den Wellen schaukelnd mich erhalten? Soll ich lieber wie ein Rennpferd mutig allen vor mich wagen? Oder soll ich trägen Karrengäulen folgen? Soll ich wie ein der Schwan die Höhe suchen? Oder soll ich mit dem Hühnervolk mich ums Fressen streiten? Was ist vom Heil? Was ist vom Unheil? Was soll ich lassen, was soll ich tun? Die Welt ist schmutzig und nicht rein. Ein Mückenflügel wiegt gar schwer und tausend Zentner wiegen leicht. Die große Glocke ist verworfen, und tausend Schellen tönen klirrend. Schmeichler sind gar hoch erhoben. Tüchtige Männer sind verachtet. Ach, ich will schweigen! Wer kennt meine Reinheit!“ Da ließ der Magier seine Stäbe ruhen und verkündete: „Oft ist ein Fuß zu klein, oft ist ein Zoll zu groß. Die Dinge haben alle Unvollkommenheiten, und jede Weisheit kommt an letzte Schranken. Das Schicksal selbst hat seine Rätsel, und auch ein Gott ist nicht allwissend. Tut was ihr müsst! Folgt Eurem Stern! Denn kein Orakel kann Euch weisen.“ (Tjü Yüan und die Tschu- Gesänge, 3.-4. JH.v.CHR.)
Otto Bauer
(Unternehmensberater und Fastenleiter dfa)